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Verrückt aber wahr, sowas hatte ich eigentlich eher in einem prähistorischen Museum oder auf einem Planeten der Chaosgötter erwartet, aber auf der Welt des Weihnachtsmanns, diesem Musterbeispiel an perfekter Organisation und Kundenfreundlichkeit?

Verwirrt landete ich auf dem Dach, eine andere Möglichkeit gab es nicht, denn die Hochhäuser standen dicht an dicht. Ächzend stieg ich aus und sackte erst einmal bis zu den Knien im Schnee ein. Mein Atem kondensierte in der Kälte und bildete eine Wolke vor meinem Mund, während ich mich aus dem weißen Wunder freikämpfte.

Etwas ratlos blickte ich mich dann um, was nun, runterklettern käme nicht so gut, abseilen war unmöglich, da ich kein Seil besaß und mein Reservewollknäuel opfern kam nicht in Frage. Mein Blick fiel auf den Schornstein, es stieg kein Rauch aus ihm empor, also warum nicht durch ihn hinein gelangen? Entschlossen stapfte ich zu dem gemauerten Schlot und hievte meinen luxuriösen Katerkörper hoch. Ich baute mich am Rand zum Inneren des Kamins auf und lugte vorsichtig hinab in die gähnende Dunkelheit. Gähnende Dunkelheit? Wieso zum Khorne gähnende Dunkelheit in einem Schacht der nicht einmal sechs Meter tief sein konnte und in den sowohl von oben, als auch von unten Licht hineinschien? Leider gewährte mir der große Katzengott keine Antwort, die Erleuchtung vom großen St. Kilrathy konnte ich auch nicht erwarten (Ich zahle keine Kirchensteuern und er ist da ein sehr penibler Gott) und da es mir verwehrt war zu handeln wie ein richtiger Journalist, nämlich irgendeinen anderen für die Drecksarbeit anzuheuern, musste ich mir wohl oder übel selbst die Pfoten schmutzig machen. Jetzt erst fiel mir der sanfte Luftzug aus der Tiefe auf.

Irgendetwas musste da unten sein, irgendetwas das mit dem Weihnachtsmann in Verbindung stand, schließlich hätte mir der komische Elf die Karte zum Büro von Santa nicht gegeben, wenn das Geheimnis hier nichts mit ihm zu tun hat. Ich seufzte und bejammerte innerlicher mein ach so hartes Schicksal unter der Knute dieses Leuteschinders von Nudisten ...Argh bitte nicht die Nagelkeule, ist ja schon gut!... Ich korrigiere, diesem Meister der Motivation und äußerst begeisterungsfähigem Chefredakteur. Ein letzter Blick zum wolkenverhangenen Himmel, oder besser zu dem Stück Wolke zwischen den Hochhauszeilen, dann begann ich den Abstieg hinab in den Schacht...

 

In die Tiefe...

 

Zu meinem Glück war der Schornstein aus den gleichen Steinen errichtet wie das ganze Haus, so konnte ich mich in die Fugen krallen und langsam abwärts klettern. Je tiefer ich stieg desto stärker wurde der Luftstrom, bald war es kein kaum spürbarer Hauch mehr sondern ein handfester Wind. Ich war mir sicher schon die fünffache Distanz zwischen Dach und Erdboden hinter mich gebracht zu haben, trotzdem nahm und nahm der Kaminschacht kein Ende. Mittlerweile waren zehn Minuten vergangen, ich hatte schätzungsweise sechzig Meter mehr schlecht als recht überwunden und der Luftstrom war zu einem Orkan sondergleichen angeschwollen. Ja ich weiß, wie bitte soll ein Orkan auf so kurzer Strecke zu einem Lufthauch degradiert werden, sowas ist doch physikalisch unmöglich. Aber denken sie das stört den Orkan, nein, er wird weiter munter ihr Fell durchwuseln und in ihren Ohren rauschen.

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Völlige Dunkelheit umgab mich, der Einstieg war zu einem kleinen weißen Punkt über mir geworden. Genervt von dem ewigen Gezerre des Orkans und der Finsternis kramte ich mit einer Hand in meinen Taschen nach einer Lampe. Gerade als ich sie gefunden hatte und sie einschalten wollte, verlor ich den Halt und rutschte ab. Panisch schlug ich meine Krallen in das Gestein, doch ich war zu schwer als das es mir etwas genützt hätte. Ich stieß einen Schrei aus als ich endgültig den Halt verlor und hinabstürzte. Irgendwo tief unten würde ich aufschlagen, tot, mit gebrochenen Gliedern. Angsterfüllt schloss ich die Augen und ... landete auf meinen 4 Pfoten.

 

Der Komplex...

 

Total überrascht öffnete ich die Augen und blinzelte, ich war am Leben, nicht tot und zerquetscht. Der Wind pfiff mir zwar noch um die Lauscher, aber ich nahm ihn sowieso kaum noch wahr. Zwei bis drei Meter , tiefer war ich nicht gefallen und jetzt hockte ich auf einem glatten Untergrund, der sich verrückterweise metallisch anfühlte. Plötzlich entsann ich mich der Lampe, ich hatte sie immer noch fest in meiner Hand. Der Lichtkegel riss scharfe Konturen aus der Dunkelheit. Vor, hinter und neben mir zogen sich rechteckige Schächte von nicht einmal anderthalb Metern Höhe anscheinend waagerecht dahin. Ich saß auf einer Kreuzung, wozu sie und die Metallkanäle gut waren erschloss sich mir jedoch nicht. Ratlos wählte ich auf gut Glück den Schacht vor mir und krabbelte los. Sehr zu meiner Erleichterung nahm der Luftstrom wieder an Stärke ab und bald umwehte mich nur noch ein zartes Lüftchen. Gleichzeitig nahm jedoch der Geräuschpegel merklich zu, zuerst vernahm ich nur ein leises und fernes Klopfen, dann wurde daraus ein Stampfen, jetzt war es ein ausgewachsenes Stakkato an Stampfen, Zischen und Rattern, alles monoton aufeinander folgend. Meine Neugier stieg proportional zu meiner Verwunderung, doch bisher hatte ich keine Möglichkeit entdeckt herauszufinden was sich unter mir, denn von da kamen die Geräusche, abspielte. Das änderte sich allerdings als vor mir ein schwacher Lichtschimmer auftauchte.

Das Licht drang durch ein Gitter im Boden hinein in den Schacht, den Kopf voll mit allen möglichen wirren Gedanken und Vorstellungen, was sich dahinter verbergen möge, schaute ich durch die Öffnung. Was ich erblickte übertraf meine verrücktesten Erwartungen.

Dort unten erstrecke sich über mein ganzes Blickfeld riesige Fertigungsstraßen, groteske Maschinen, kilometerlange Fließbänder und Gestalten an ihnen, die sie bedienten und wie Ameisen umherwuselten. Das alles war schon sehr verrückt, eine unheimlich große Industrieanlage mitten unter der Stadt die durch den Schornstein eines kleinen Steinhauses mit Schneedach, das eigentlich nur der Ausgang zu einem riesigen Lüftungssystem war betreten werden konnte, doch all das wurde durch die Tatsache in den Schatten gestellt, wer die Arbeiter an den Fließband waren. Es waren, man glaube mir, mein Schock war unermesslich groß, Pinguine. Ja tatsächlich, Pinguine arbeiteten 60 Meter unter der Erde in einer Fabrik und sie sahen nicht sehr glücklich dabei aus, was vielleicht an den schweren Eisenkugeln an ihren Beinen und den automatischen Maßregelungselektroschocker Halsbändern lag. Ich war entsetzt, Pinguine, die anmutigsten, friedfertigsten Wesen im ganzen Universum schufteten hier in einer unterirdischen Fertigungsanlage als Sklaven für.... bei diesem Gedanken jagten mir eiskalte Schauer den Nacken hinunter, für niemand anderen als Santa Claus, besser bekannt als der Weihnachtsmann. Leider konnte ich den bemitleidenswerten Wesen nicht helfen, ich konnte mir ja momentan nicht einmal selbst helfen. Also kroch ich wehmütig weiter den Schacht entlang, nachdem ich mir eifrig Notizen auf meinen Block gekritzelt hatte. (Ein guter Journalist hat immer einen Block dabei) Nun senkte sich der Kanal ab und vorsichtig schlidderte ich die Schräge hinab.

Einige dutzend Meter später normalisierte sich das Bodenniveau wieder und es wurde ein weiterer Lichtschimmer sichtbar, außerdem fing die Luft an nach Zigarettenqualm zu riechen. Die monotone Geräuschkulisse der Industrieanlagen war einem stetigen Klackern, Klimpern und Geraschel gewichen. Geräusche wie in einem Bienenstock,  was ich dann durch das Gitter der neuen Öffnung sah erinnerte mich auch an einen Insektenstaat. Hunderte von grün bemützten Männchen saßen an hunderten von Schreibtischen und hackten auf Tastaturen ein, telefonierten wild durch die Gegend oder wälzten Berge von Akten. Sie ähnelten sich alle in bestimmten Punkten, zum Beispiel hatten sie ausnahmslos hochrote Köpfe und sie fluchten bei jeder sich bietenden Gelegenheit lauthals. Außerdem rauchten alle pausenlos, was zu einer einzigen riesigen Rauchwolke über ihren Köpfen führte, was den Zigarettengeruch von vorhin erklärte. Einige Gesprächsfetzen drangen zu mir herauf:

Verdammte Schinderei....sollen sich jemand anderen suchen, scheiß Gewerkschaft ...ha 35 Stundenwoche, das ich nicht lache, wer bezahlt mir die Überstunden?...die Blagen fressen mir zuhause die Haare vom Kopf und hier halst uns der Chef immer mehr Arbeit auf, so ein verfluchter...

 

Die Wahrheit...

 

Erst versklavte Pinguine, dann cholerische, kettenrauchende Bürowichtel, heiliger St. Kilrathy wo war ich hier nur gelandet. Nachdenklich krabbelte ich weiter, auch hier war kein guter Ort zum aussteigen. Schon sehr kurze Zeit später erschien ein drittes Licht, auch hier kamen mir neue Töne entgegen. Diesmal war es ein lautes Geplapper, Gewisper und Getratsche. Ein einzigartiges Potpourri an Gesprächen, nur ab und an unterbrochen von lauten und extrem hohen Schreien. Neugierig schob ich mich über den Rand und schaute hinab. Ich hätte laut aufgelacht, hätte nicht die Gefahr der Entdeckung bestanden, dort unten saßen aber dutzende von Frauen, Nymphen um genau zu sein, blaue Nymphen. Sie alle trugen strenge graue Kostüme und schwarzumrandete Brillen, sowie ein Headset. Und jede einzelne telefonierte, machte sich dabei Notizen oder manikürte sich die Fingernägel. Manchmal jedoch verlor eine der Telefonistinnen die Fassung und fing lauthals an zu kreischen, trotzdem ließen sich die übrigen nicht stören und plapperten munter weiter. Mein Stift flog über das Papier, das würde ein Knüller werden, der Artikel würde einschlagen wie eine Bombe. Während ich weiter kroch und die Gespräche samt der Schreie langsam leiser wurden, malte ich mir bereits die Schlagzeilen aus: „Weihnachtswerkstatt Sklavenfabrik“ – „Ausbeutung im Weihnachtsgeschäft“ – „Santa Claus, ein skrupelloser Wirtschaftsmagnat“.

In dieser Art Gedanken versunken, merkte ich zunächst nicht, dass es seltsam still geworden war. Nicht mal der Wind säuselte mehr vor sich hin, die Stille war absolut. Es wunderte mich also, dass vor mir wiederum ein Licht in den Schacht fiel. Wieder war es ein Gitter im Lüftungskanal und wieder befand sich ein Büro darunter. Allerdings war es leer und ich sah auch nur einen Schreibtisch in ihm stehen. Dies war meine Chance, jetzt hieß es aussteigen.

Wild entschlossen zückte ich meinen kleinen Schneidbrenner und sekundenspäter fiel die Abdeckung polternd zu Boden. Geschmeidig glitt ich durch die Öffnung  und landete auf dem weichen samtroten Teppich des Büros. Die Wände waren mit Holz vertäfelt, der Schreibtisch war wuchtig und der Sessel sah sehr bequem aus. In der Ecke stand ein Kleiderständer und an ihm hing ein Mantel, ein roter Mantel mit weißen Ärmeln und Kragen, es war Santa Claus‘ Mantel. Dies war das Büro des Weihnachtsmann und ich stand da und starrte seinen Mantel aus großen Augen an. Ich zwang mich zur Konzentration, jetzt hieß es die Gunst der Stunde zu nutzen. Also sprang ich schnell zum Schreibtisch und begann die Papierstapel darauf zu durchwühlen. Alle möglichen Aufträge, Notizen und Rechnungen und eine Überweisung fielen mir in die Hände. Die Überweisung sah ich mir näher an und als ich den Namen des Zahlenden las schlug mein Herz wild: Sirius Corp.

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Die Sirius Corp bezahlte den Weihnachtsmann!

Als wäre die Situation nicht schon ungeheuerlich genug, schlug dies dem Fass eindeutig den Boden aus. Plötzlich zuckten meine Ohren, jemand näherte sich mit schweren Schritten der Tür. Ein tiefer Bass ertönte: „Wie , was soll das heißen, der Ausstoß hat sich verringert? HoHoHo, dann erhöhen sie eben die Arbeitszeiten der verdammten Pinguine!

Der Inhaber der Stimme stand jetzt vor dem Büro, seine Umrisse zeichneten sich im Milchglas der Tür ab.

Wie die Lieferung ist nicht pünktlich angekommen? Sagen sie mal Ruprecht wollen sie mich verarschen? HoHoHo, dann suchen sie einen anderen Zubringer verdammt!

 

Die Flucht...

 

Die Klinge klickte langsam nach unten, die Luft würde dünn für mich, wenn der Weihnachtsmann mich hier erwischte, wäre ich tot. Gehetzt pendelte mein Blick durch den Raum, blieb dann an einem Schild mit der Aufschrift „Achtung – Absolut geheimer Geheimnotausstieg“ kleben. Unter dem Schild war ein roter Knopf unter Glas. Ich wetzte los, knallte meine Faust auf den Knopf, das Glas zerbrach klirrend, die Stimme draußen verstummte. Etwas summte und der Boden unter mir verschwand und ich fiel, wieder mal, der Dunkelheit entgegen. Hinter mir hörte ich Santa fluchen und Alarm schlagen, während mich die Transportröhre mit einem leisen Flupp in eine enge Kammer entließ, die sehr viel Ähnlichkeit mit einem Fahrstuhl hatte. Auf einmal schüttelte es mich durch, der Raum bewegte sich nach oben und zwar mit rasanter Geschwindigkeit.

Augenblicke später erscholl ein wohltönendes "Ping", und eine Stimme verkündete: „Erdgeschoss – Raumhafen

Ich war baff, die Tür schob sich auf und ich stand tatsächlich in der Ankunftshalle des Raumhafens, an der Seite mit den regulären Aufzügen. Schnell machte ich mir einige Notizen, dann schlenderte ich fröhlich pfeifend mit den Händen in den Taschen zu den Schließfächern und holte meinen Koffer. Niemand würde mich erkennen oder verdächtigen, die gehetzten Blicke mit denen ich mich umschaute, waren ja nicht sehr auffällig. Ebenso unauffällig sprang ich dann über die Absperrung und rannte über das Landefeld. Ich glaube dem Zollbeamten habe ich auch recht unbemerkt das Gesicht zerkratzt und ihn gefesselt (mit meinem Reservewollknäuel, was eine Verschwendung) in einen Müllbehälter gesteckt. Am Verladepunkt für die Frachten habe ich mir dann eine geräumige Kiste ausgesucht und mich mit Hilfe meiner Werkzeuge in ihr versteckt. Zufrieden mit mir und meiner Arbeit kuschelte ich mich an meinen rosa Plüschkoffer. Doch plötzlich drangen seltsame Geräusche aus ihm, ein elendiges Fiepen und Jammern, er wackelte hin und her, jemand oder etwas hämmerte von innen gegen die Wandung. Erstaunt und erschrocken fingerte ich am Verschluss, schob die Riegel auf und kippte überrascht nach hinten weg als mir ein kleiner Pinguin entgegen sprang.

Mit offenen Mund starrte ich ihn an , der Pinguin war noch nicht sehr alt, ein Kleinkind vielleicht. Er erwiderte den Blick, hohe Intelligenz schimmerte in seinen großen klaren Augen. „Mama?“, quietschte er. Dieses eine Wort, mehr sagte er nicht, doch es lag alle Hoffnung, alles Wehklagen des gesamten Universums in ihm. „Ähm äh“, stammelte ich , „uhm eigentlich , nicht , nein.“ Doch daran lies sich das Pinguinkind nicht stören und hoppste mir auf den Schoß. „Mama!“ Sagte es wieder und kuschelte sich in mein Fell. Oh man der nackte Vollstrecker würde Augen machen... ein Pinguin, entkommen aus der Hölle der Weihnachtswelt! Er würde mit der Peitsche fuchteln vor Freude...

Anzahl Pinguine auf Planeten: 1

- ENDE -

written and directed by Don Red:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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